Logik für Bausachverständige

                                         
Die Idee zu nachstehendem Vortrag ist unter dem Eindruck der Denkfehler bis hin zur Willkür in vielen gerichtlich beauftragten Baugutachten bei meiner täglichen Prüfungsarbeit entstanden.

 

 

 

Mit SV ist hier die Person gemeint, die im Beweisverfahren (Erkenntnisverfahren) vom Gericht beauftragt wird, ihr Fachwissen zur Verfügung zu stellen, um ein Urteil zu finden, das den rechtlichen Streitfall zweifelsfrei zur Auflösung bringt.

 

 

 

Es wird hier im weiteren Vortrag davon ausgegangen, dass die vertragliche Vereinbarung, also die Frage, was bautechnisch vereinbart worden ist, vor dem Beweisbeschluss bereits geklärt ist und die Beweisfragen sich darauf beschränken, festzustellen, ob die Mangelbehauptungen berechtigt sind oder nicht.

 

 

 

Mündliche und schriftliche Aussagen sind Ausdrucksformen der Sprache als Kommunikationsmittel, die Gedanken und Denkleistungen widerspiegeln.

 

Eine Aussage ist umso verständlicher, je weniger sie mehrdeutig (äquivok) ist. Sie hat einen bestimmten Wahrheitswert, das heißt, die Aussage gibt die Wirklichkeit richtig oder falsch wieder.

 

 

 

Mit der Aussagenlogik wird der Wahrheitsgehalt von Aussagen und Aussagenverbindungen in Abhängigkeit von den verknüpfenden logischen Bindegliedern geprüft, wie

 

 

 

Negation (Verneinung, Ablehnung, „nicht“):

 

Es wird das Verhältnis zweier sich ausschließender Begriffe bzw. Urteile beschrieben. Das sinngemäße Gegenteil (Gegensatz) innerhalb des gleichen Kontextes ist richtig/wahr.

 

 

 

Implikation (Einbeziehung einer Sache in eine andere, das

 

Eingeschlossensein eines Sachverhalts in einen anderen.):

 

„wenn … so …“ oder „wenn … dann …“ oder „aus … folgt…“ =

 

Subjunktion.

 

Diese Aussagenverbindungen geben eine Bedingung an, bei

 

deren Erfüllung die Folgerung immer zutrifft.

 

Die Implikation hat den Wahrheitswert „falsch“, wenn bei

 

wahrer Voraussetzung eine falsche Schlussfolgerung eintritt.

 

 

 

Äquivalenz (Entsprechung, Gleichwertigkeit einer Aussage

 

mit einer anderen):

 

 

 

„genau wenn so, dann und nur dann auch so“, aus einer

 

Aussage folgt eine andere und umgekehrt = Bijunktion.

 

Beide Aussage sind völlig gleichwertig = äquivalent.

 

Das heißt, Voraussetzung und Schlussfolgerung sind

 

vertauschbar und ihre Verbindung ist nur dann wahr,

 

wenn sie beide wahr sind.

 

Zwei Aussagen sind also (logisch) äquivalent, wenn sie sich

 

wechselseitig logisch implizieren, d.h., wenn gilt:

 

Aus A folgt B und aus B folgt A.

 

 

 

Konjunktion (Adjunktion, Verbindung zweier Aussagen zu

 

einer neuen Aussage, „und“):

 

Die neue Aussage ist nur dann wahr, wenn die beiden von

 

ihr verbundenen Aussagen jeweils wahr sind. Liegen ihr

 

mehr als zwei Aussagen zugrunde, dann müssen alle

 

Einzelaussagen wahr sein, um als Ganzes wahr zu gelten.

 

 

 

Disjunktion (Alternative, „oder“):

 

Die neue Aussage ist wahr, wenn mindestens eine der

 

Einzelaussagen wahr ist.

 

Das Oder bezeichnet hier eine Wahl im Sinne von

 

„Sowohl als auch“.

 

Nicht zu verwechseln mit dem „Entweder oder“, das

 

keine Wahl lässt.

 

 

 

 

 

Eine Aussage eines gerichtlich beauftragten SV ist eine zu einem bestimmten Tatbestand (Bauleistung) abgegebene Erklärung auf der Grundlage eines Beweisbeschlusses.

 

Der Beweisbeschluss beschreibt den Auftrag an den SV. Somit müssen die Erklärungen (Aussagen) des SV einen inneren Zusammenhang (Logik) zur Aufgabenstellung (Auftrag) ergeben. Das heißt, die Aussagen des SV sind der Logik der im Beweisbeschluss enthaltenen Beweisfragen unterworfen = fallbezogene Systemlogik.

 

Der Beweisbeschluss ist dem Rahmen der Verfahrensordnung (Zivilprozessordnung = ZPO) untergeordnet. Laut Literatur gilt hier der Grundsatz der wahrheitsgemäßen Aussage = Wahrheitspflicht.

 

Somit ergibt sich, die Aussage eines SV ist eine Erklärung, die einerseits sinnvoll, also der Intention der Beweisfrage folgen muss, andererseits wahr (= im bautechnischen Sinne richtig) sein muss.

 

 

 

Bei vielen gerichtlich tätigen Sachverständigen sind Aussagenverbindungen nach dem Muster, wie

 

- aus sachverständiger Sicht ist es notwendig, dass …,

 

- der Unterzeichner glaubt, dass …,

 

sehr beliebt. Solche Aussagen sind subjektiv, daher aussagenlogisch nicht nachprüfbar, somit für die Verwendung in einem gerichtlich beauftragten Gutachten ungeeignet.

 

 

 

Bei Beweisfragen, wo der SV Mangelbehauptungen als richtig (zutreffend) oder als falsch (nicht zutreffend) beurteilen soll, reduziert sich die Bedeutung des Adjektives „wahr“. Sie wird hier im Weiteren mit „richtig“ gleichgesetzt.

 

 

 

Die bewertende und urteilende Aussage (Gutachtenarbeit) des SV muss hinsichtlich seiner Vorgehensweise (Methodik) und seiner Schlüssigkeit (= die für System und Kontext geltende Logik = Systemlogik) nachvollziehbar und für Dritte jederzeit nachprüfbar sein. Das ist die vom Gericht erwartete Stringenz, die auch die streitenden Parteien überzeugt.

 

Die Aussage eines SV macht also nur Sinn, wenn sie von einem anderen in gleicher gedanklicher Weise nachvollzogen, als folgerichtig verstanden und die Beurteilung als schlüssig, somit als wahr und richtig anerkannt werden kann.

 

 

 

Logik ist Mittel und Prinzip zum Verständnis. Verständnis herzustellen, ist die Aufgabe des SV. Daher ist Logik der rote Faden seines Gutachtens als Ergebnis seines gerichtlichen Auftrages.

 

Logik bedeutet hier folgerichtiges Denken (= Ableitung einer Aussage aus anderen Aussagen nach den Regeln des logischen Schließens) auf der Grundlage der vorgegebenen Beweisfragen eines Beweisbeschlusses mit einem zwangsläufigen, nachvollziehbaren und schlüssigen Ergebnis.

 

Auf der Grundlage einer logischen Notwendigkeit, die eine unmittelbare Gewissheit beinhaltet.

 

 

 

Das heißt, das Ergebnis hält einer strengen, an der Intention der Beweisfrage orientierten Schlüssigkeitsprüfung stand. Umgekehrt setzt dies voraus, dass die Beweisfrage so klar und eindeutig in ihrer Intention formuliert ist, dass eine Schlüssigkeitsprüfung der Beantwortung (Gutachtenarbeit)  überhaupt erfolgen kann. Das heißt wiederum, bei der Formulierung der Beweisfrage muss die Möglichkeit der logischen Prüfung der Beantwortung (Gutachten) bereits berücksichtigt werden.

 

 

 

Der Mensch verfügt nur über eine individuelle, subjektive Sichtweise. Er kann sich der angestrebten Objektivität, z.B. bei der Gutachtenarbeit, nur durch seine Denkmethoden annähern. Durch Denkmethoden wie Abstraktion, Reduktion, Vergleich, Entsprechung usw., die auf logischen Schlüssen beruhen. Dadurch ergibt sich ein Konsens, der sich in verbindlichen Regeln und Gesetzen wiederfindet. Dieser Konsens ist die Grundlage für das logische Vorgehen innerhalb des jeweiligen Systems (Regel, Gesetz, Beweisverfahren, Beweisbeschluss). In diesem Sinne muss die Gutachtenarbeit eines SV „objektiv“ sein, also der jeweiligen Systemlogik folgen und entsprechen.

 

Das heißt für den SV, dass er erkennen muss,

 

-       in welchem Kontext die Beweisfrage anzusiedeln ist,

 

-       welcher Konsens (Verordnungen, Baubestimmungen,

 

        Normen, Regeln, Richtlinien, Vorschriften usw.) dort

 

        vorherrscht,

 

-       welche Intention mit der Beweisfrage angestrebt wird,

 

-       welchem spezifischen inneren Zusammenhang, der

 

        gerade die besondere Aufgabenstellung kennzeichnet,

 

        zu folgen ist.

 

Sein Verständnis und seine Fähigkeit, welche das Gericht voraussetzt und erwartet, zeigt sich in einer grammatikalisch klaren, unmissverständlichen Sprache, einer aufgabenbezogenen Methodik und der Darstellung des inneren Zusammenhangs zu seiner entwickelten Lösung bzw. Beantwortung der Beweisfrage. Folgerichtigkeit und Zwangsläufigkeit der Schlussfolgerungen sind das Wesen logischen Denkens. Das heißt, die Beantwortung muss einen logischen Zusammenhang mit der Intention der Beweisfrage ergeben. Nur so ergibt sich ein sinnvoller Dialog zwischen dem Gericht und seinem sachverständigen Helfer. Im Ergebnis eine juristisch verwertbare Zusammenschau als Gesamtaussage.

 

 

 

Beweisfragen, die sich auf bautechnischen Mangelbehauptungen beziehen, zielen nicht auf das Beschreiten tiefgründiger philosophischer Denkwege ab. Daher sind paradoxe Aussagen zu vermeiden. Solche Aussagen in einem Baugutachten weisen auf Denk-, Methodik- und Verhaltensfehler hin. Häufigster Grund: Denkfehler in der Beurteilung des Ausgangspunktes, der Ausgangslage (Prämisse, Ist-Zustand), der falschen Vergleichsgrundlage (Prämisse, Soll-Zustand) und des sich daraus entwickelnden Gedankenganges und/oder der Schlussfolgerung.

 

 

 

Eine Beweisführung (Argumentation) wird ihrem Sinn nur gerecht, wenn sie auf den Regeln des logischen Schließens steht, also einer gerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung standhält. Der innere logische Zusammenhang ergibt sich durch das lückenlose und schrittweise Zurückgreifen auf allgemein anerkannte Regeln und Normen, das vom Gericht und den Verfahrensbeteiligten nachvollzogen und durch seine Stringenz so überzeugt, dass Verstehen und Gewissheit von selbst folgen. Das heißt, die Beweisführung muss der formalen Logik des Systems (z.B. der ZPO) und der inhaltlichen Logik der Aussage (Beweisbeschluss, Beweisfrage) realistisch entsprechen, um als widerspruchsfrei akzeptiert werden zu können.

 

 

 

Aber die Anwendung der Logik, der logischen Schlussregeln bei einer Beweisführung setzt eben die entsprechende Fähigkeit voraus. Die Fähigkeit des Begreifens durch Verbinden und Unterscheiden von Begriffen und Aussagen = Bildung (Grammatik) und Verstand (Intellektualität).

 

Dies ist nicht jedem gegeben, daher sind Fehl- und Zirkelschlüsse oft zu beobachten. Es ergeben sich in der Folge Störungen in der Kommunikation, die einem gegenseitigen Verständnis und einer Einigung entgegenstehen.

 

 

 

Logisches, systemgerechtes Denken ist die notwendige Voraussetzung zu der anzustrebenden und geforderten objektiven Aussage (objektive Schlussfolgerung, Erkenntnis). Es ist das Schutzschild gegen subjektive Einflüsse, wie Präferenzen, Sympathie, Aversion usw. Gutachtenarbeit zeichnet sich durch strenge Sachlichkeit aus, die sich rein nach der Intention der Beweisfrage richtet. Die Beweisfrage lenkt und beeinflusst das Denken und Verhalten eines SV. Die richtig formulierte, nach den Regeln des logischen Schließens formulierte Beweisfrage zwingt den SV zu einer entscheidenden, klaren und verwertbaren Beantwortung.

 

Es ist seine Arbeit und die bei ihm vorausgesetzte Fähigkeit, bautechnische Zustände und Sachverhalte nach logischen Schlussregeln zuzuordnen.

 

Bei Beweisfragen, die bautechnische Mangelbehauptungen beschreiben, ist die entscheidende Schlussregel der Syllogismus: der Vergleich als die logische Verbindung von zwei Aussagen (Ist- und Sollbeschaffenheit) zu einer gemeinsamen Aussage = Konklusion.

 

(Siehe dazu meine Unterseite „Systemgerechte Erfüllung des gerichtlichen Gutachtenauftrags“.

 

 

 

Neben der deduktiven Methode des Syllogismus stehen sowohl das oft als Gegensatz behauptete technische als auch das juristische Denken auf vier logischen Axiomen:

 

1.     Satz der Identität (A=A):

 

        A behält im Denkakt seine Bedeutung bei.

 

2.     Satz des Widerspruchs:

 

        Entgegengesetzte Urteile können nicht zugleich

 

        wahr sein.

 

        Wenn richtig ist, „A ist im Zimmer“,

 

        dann ist der Satz „A ist nicht im Zimmer“ falsch.

 

3.     Satz des ausgeschlossenen Dritten:

 

        A ist entweder mit B identisch oder nicht identisch,

 

        es gibt keine dritte Möglichkeit.

 

4.     Satz des Grundes.

 

        Alles Bestehende hat seinen Grund, aus dem es

 

        gefolgert werden kann.

 

 

 

Aber manche Gerichtssachverständige bringen das wissenschaftlich-logische Denksystem zum Einsturz, indem sie den Ist-Zustand des zu prüfenden Bauteils falsch oder unvollständig interpretieren. Die Aufnahme des Ist-Zustandes ist der Knackpunkt der gerichtsgutachterlichen Beurteilung. Hier zeigt sich der Gegensatz zur auf der Logik beruhenden ingenieurmäßigen, wissenschaftlichen Arbeitsweise: die Willkür.

 

 

 

Willkür beinhaltet mehr als nur Unfähigkeit, wie dies oft milde von Juristen gesehen wird, sondern auch Absicht, Voreingenommenheit und Machtmissbrauch. Dies wird von Juristen, aus welchen Gründen auch immer, nicht im gebotenen Maße zur Kenntnis genommen.

 

 

 

Das logische Denken führt nicht zur Wahrheit im philosophischen Sinne und es steht auch oft im Widerspruch zur menschlichen Gefühlswelt, aber in gerichtlichen Beweisverfahren kann und sollte es zur konsens- und friedensstiftenden Erkenntnis führen.

 

 

 

PETER  KLENK                                

 

Ingenieurbüro für Bauanalysen             

 

Ingenieur (grad.) Fachbereich Architektur

 

Wirtschaftsingenieur (grad.) 

 

Carl-Benz-Str. 4            

 

76437 Rastatt       

 

Fon 07222-967699      

 

E-Mail: info@baukontrolle-klenk.com

 

 

 

Stand 19.07.2022

 

 

 

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