Fehlerhafte Kostenermittlung

Fehlerhafte Mängelbeseitigungsmaßnahmen und unzureichende Kostenermittlung in gerichtlichen Baugutachten

Leider ist dies allzu oft die bittere Realität:
Durch die fehlerhaften Mängelbeseitigungs- und Kostenvorstellungen des Gerichtssachverständigen kann der Antragsteller/Kläger als Baupfusch-Geschädigter, selbst wenn seine Beanstandungen im Gutachten bestätigt wurden, trotzdem als Verlierer aus dem Gerichtssaal gehen.
Warum? Weil weder die Mängelbeseitigungsmaßnahmen noch deren Kosten ausreichend sind. Werden diese Kostenangaben mit den realistischen Kosten (= Preise vor Ort) verglichen, ergibt sich erfahrungsgemäß eine Faustformel:
Die im Gutachten genannten Kosten x 3, manchmal sogar x 10, ergeben die wahren Kosten, wenn der letzte Handwerker seine Schlussrechnung gestellt hat.

Aber dies ist noch nicht das Ende, es kann noch schlimmer kommen, wenn das Gericht die völlig unzureichenden Kostenvorstellungen des Gerichtsgutachters als Grundlage für einen Vergleichsvorschlag hernimmt, der noch weit unter den im Gutachten angegebenen Kosten liegt und damit den Antragsteller/Kläger unter Druck setzt.

Und immer schwebt der Generalverdacht über dem Verfahren. Er wird nicht immer direkt ausgesprochen, ist aber immer zu spüren: Der Kläger will gar nicht die angeblichen Mängel beseitigen, sondern nur im Nachhinein seinen Baupartner mit ungerechtfertigten Mängelbehauptungen abzocken und sein beratender Privatgutachter bestärkt ihn mit seinen Insinuationen darin.

Untaugliche Mängelbeseitigungsvorstellungen, unrealistische Kostenangaben des Gerichtsgutachters und der Druck des Gerichts auf den Antragsteller/Kläger zu einem für ihn bei weitem nicht auskömmlichen Vergleich stellen den Hauptgrund dafür da, dass sich Baupfusch immer mehr lohnt. Viele Baufirmen, wie Bauträger, Schlüsselfertig-Anbieter, Handwerker usw., haben dies erkannt und nutzen dieses fast risikolose Geschäft. Ein Kaufmann rechnet, und wenn ihm selbst nach einem verlorenen Bauprozess immer noch etwas übrigbleibt, warum soll er sein Verhalten bei anderen Bauobjekten ändern? Nicht jeder Bauherr zieht vor Gericht. Schätzungen zufolge, höchstens 5 von 100.

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Bevor Sie sich entmutigen und zu einem solchen gerichtlichen Vergleich zwingen lassen, sollten Sie die Mängelbeseitigungsvorstellungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit und die Kostenangaben des Gerichtsgutachters auf Auskömmlichkeit prüfen lassen. Also, von fiktiven Annahmen zur realistischen Preisorientierung vor Ort gelangen.
Hier kann ich Ihnen und Ihrem Rechtsbeistand helfen, nicht nur die Fehler aufzuzeigen, sondern auch die notwendigen zielführenden Ergänzungsfragen an den Gerichtsgutachter zu formulieren.
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Häufige Formulierungen der Aufgabe des Gerichtssachverständigen in Beweisbeschlüssen:

„Das Gutachten soll sich auf die Ursachen der beschriebenen Erscheinungen, die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter mangelhafter Zustände und auf die damit verbundenen Kosten erstrecken.“

„Welche Maßnahmen sind zur Beseitigung festgestellter Mängel erforderlich?“

„Bei den Maßnahmen zur Mangelbeseitigung sollen auch die hierfür notwendigen Kosten angegeben werden.“

„…welche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung erforderlich sind und welche Kosten für eine fachgerechte Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlich sind.“

„Das Gutachten soll sich auf die Ursachen der Mängel, auf die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung des mangelhaften Zustandes, auf die notwendigen Maßnahmen zur Schaffung eines ordnungsgemäßen Zustandes sowie auf die jeweils damit verbundenen Kosten erstrecken.“

Wie werden diese Fragen in den gerichtlichen Baugutachten behandelt?

Die Gerichtssachverständigen beantworten die oben beispielhaft aufgeführten gerichtlichen Fragen bzw. Aufgabenstellungen fast ausnahmslos mit Schätzungen. Verglichen mit der Intention der Aufgabenstellung kann das in den meisten Fällen nur als eine verdeckte Arbeitsverweigerung seitens des Gerichtssachverständigen gedeutet werden. Der Sachverständige zieht sich auf eine Kostenschätzung zurück. Manche relativieren deren Genauigkeit und Brauchbarkeit im weiteren Verlauf der Beantwortung immer mehr, so, als hätten sie Angst vor einem damit verbundenen Stromschlag.
Dieses Vorgehen ist mit der Intention dieser Aufgabenstellung nicht vereinbar und nicht akzeptabel, vor allen Dingen dann nicht, wenn damit die genaue Ermittlung der einzelnen Mängelbeseitigungsmaßnahmen, welche erst die Grundlage für eine möglichst realistische Kostenermittlung ergeben, vermieden werden soll = das Gegenteil der gerichtlichen Aufgabenstellung. Es ist paradox: Dort, wo es genau werden muss, wird ungenau geschätzt, wird das Verfahren in die reine Fiktion geführt.

Diese Schätzung ist das Feld, wo fehlendes Fachwissen, fehlendes Wissen über Sinn und Zweck des Beweisverfahrens, mangelnde Erfahrung  zusammen mit fehlender Sorgfalt und Ernsthaftigkeit, sich Unfähigkeit bis hin zur Stümperhaftigkeit offenbaren, zum Beispiel:
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Ohne Beachtung der Intention der Beweisfrage und der in dieser beschriebenen   Beanstandung,
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vollkommen frei von den entsprechenden und zutreffenden vertraglichen Vereinbarungen,
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ohne Rücksicht auf den Bestellerwillen, das Vertragsziel, den angestrebten Werkerfolg und
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die Mindestanforderungen der Allgemein Anerkannten Regeln der Bautechnik,
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ohne die Durchführung vor Ort ingenieurmäßig zu durchdenken und
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die örtlichen Rahmenbedingungen mit einzubeziehen und
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ohne Rücksicht darauf, ob sich überhaupt ein Handwerker finden lassen wird, der bereit wäre, für die Realisierung dieser gerichtsgutachterlichen Vorstellungen zu arbeiten und die Gewährleistung zu übernehmen und dies zudem unter der unrealistischen gutachterlichen Kostenvorgabe, sollen Mängel behoben werden mit Maßnahmen, die oft nicht einmal Reparaturcharakter haben. Im Ergebnis folgt auf den beanstandeten Pfusch, z.B. eines Handwerkers, der Pfusch des Gerichtssachverständigen. Es wird repariert bzw. „ertüchtigt“. Das neue Modewort der Gerichtssachverständigen für Pfuschbeseitigung.
(Für Schimmelpilzbefall gibt es auch solch eine Verharmlosung: „Vergrauung“.)

Welcher Bauherr, der neu baut, bestellt ein repariertes Haus?
Dies ist die Frage, die von vielen Gerichtsgutachtern ignoriert wird.
Wer bestellt ein Haus, das nachträglich durch gerichtsgutachterliche Vorstellungen „ertüchtigt“ wird?

Beliebt sind auch sogenannte Sammelpositionen, in denen die Kosten für mehrere Mängelbeseitigungsmaßnahmen pauschal zusammengefasst werden, so dass eine Nachvollziehbarkeit hinsichtlich der Kosten der Einzelmaßnahme nicht mehr gegeben ist.

Mangelhafte Bauleistungen werden durch Gerichtsgutachten nur sehr selten so geahndet, wie sie geahndet werden müssten, z.B. durch Rückbau der mangelbehafteten Leistung bis zum Ausgangspunkt des Mangels und Neuaufbau gemäß der Bestellung zusammen mit den notwendigen dafür auskömmlichen Kosten.


Selbst wenn im Gutachten schwerwiegendste Baufehler, also Baumängel, die an die Substanz des Gebäudes gehen und seinen Wert erheblich vermindern, erkannt werden bzw. die Beanstandung der Beweisfrage bestätigt wird, ist für den Baupfuscher noch nichts verloren. Denn jetzt wird die Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung behauptet. Diese Einschätzung erfolgt oft dann, wenn der Partei, die den Mangel verursacht hat, erhebliche Kosten drohen, z.B. durch Rückbau der fehlerhaften Leistungen. Hier genießt der Mangelverursacher einen nicht berechtigten wirtschaftlichen Schutz. Es kann nicht Aufgabe des Gerichtssachverständigen sein, sich um die wirtschaftliche Zukunft des Mangelverursachers zu sorgen.

Die Behauptung der Unverhältnismäßigkeit wird in Gutachten oft dann vorgebracht, wenn der Gerichtssachverständige zu erkennen vermeint, dass die durch die Fehlleistung belastete Partei zu großen wirtschaftlichen Schaden erleide. Diese Meinung trägt oft Züge einer vorauseilenden Schonung und soll eine Verteidigung durch das „Hintertürchen“ aufzeigen, die von der belasteten Partei in der Regel gerne aufgegriffen wird. So wird nachträglich ein wesentlicher Mangel relativiert und in seiner Bedeutung und Auswirkung in unberechtigter Weise heruntergespielt.

Wann und unter welchen Voraussetzungen Unverhältnismäßigkeit einer Mängelbeseitigung gegeben ist, hat der BGH definiert, nämlich nur dann, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung unter Abwägung aller Umstände ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht, so dass die Forderung auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist.

Trägt ein Gerichtsgutachter in seinem Gutachten vor, es sei eine solche Unverhältnismäßigkeit anzunehmen, dann dürfte er die Grenze zur Rechtsfrage überschritten haben.

Der in der baurechtlichen Literatur immer wieder erwähnte Grundsatz wird missachtet:
Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erbringung der Bauleistung gestanden hätte.
Dieser Grundsatz betrifft nicht nur handwerkliche Mängel, sondern auch Planungsmängel.
Dies wird nicht nur oft von Gerichtssachverständigen ignoriert, sondern erstaunlicherweise auch von den übrigen Verfahrensbeteiligten.


Was ist notwendig, um diese Fragen nach den Kosten gemäß dem Sinn und Zweck eines Beweisverfahrens möglichst genau zu beantworten?

Der Sinn der Beweisfrage hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten lässt sich in zwei Fragen zusammenfassen:
1.     
Welche Maßnahmen werden notwendig, um den bestellten Zustand gemäß den „Allgemein Anerkannten Regeln der Bautechnik“ herzustellen?

Dabei sind diese Maßnahmen soweit in die einzelnen Arbeits- bzw. Leistungsfolgen zu unterteilen, dass sie für einen Handwerker eine geeignete Kalkulationsgrundlage bieten.
Grundlage ist der Anspruch des Bestellers auf Neuherstellung = Rückabwicklung (Rückbau) der mangelbehafteten Leistung bis zu ihrem Ausgangspunkt, dann Neuherstellung gemäß der vertraglichen Vereinbarung und/oder den Allgemein Anerkannten Regeln der Bautechnik.
Für eine nachprüfbare Ermittlung der Mängelbeseitigungsmaßnahmen im Sinne der Beweisfrage wären z.B. folgende Schritte notwendig:
Ermittlung der möglichst realistischen und notwendigen Arbeitsfolge
(= Vorplanung), d.h. Unterteilung in einzelne kalkulierbare Leistungspositionen, die zusammen die  Mängelbeseitigungsmaßnahme ergeben.
+ Ermittlung der Mengen der einzelnen Leistungspositionen.

2.     
Welche Kosten bzw. Preise sind zu erwarten, wenn ein Handwerker aus der Umgebung des streitgegenständlichen Objekts diese vorbeschriebenen Leistungen kalkuliert und anbietet?

Ermittlung des Einheitspreises über die einschlägige, zeitnahe Fachliteratur oder  Online-Dienste oder aus bereits gemachten Erfahrungswerten aus ähnlichen Bauvorhaben und Schlussrechnungen zum streitgegenständlichen Bauobjekt
+ Zusammenstellung der Werte in Tabellenform, wie dies z.B. ein mit der Ausschreibung der Arbeiten beauftragter Architekt zu machen pflegt.
Dies wäre die sachgerechte und durch die Formulierung der Beweisfrage bezweckte Beantwortung.
Kostenschätzungen, die auf ungenügend erfasste Leistungen aufbauen, sind sinnlos.

Manche Gerichtssachverständige behaupten ihre Schätzungen entsprächen der DIN 276-1.
Die DIN 276-1 versteht unter 2.4.2 „Kostenschätzung = Ermittlung der Kosten auf der Grundlage der Vorplanung“. Eine Schätzung in diesem Sinne bietet keinen Grund für eine fehlerhafte und nachlässige Bemühung bei der Preisermittlung. Sie baut auf einer Vorplanung auf, die möglichst genau sein soll.

 

Zeitangaben und die prozentuale Materialzuschläge sind unbrauchbar, wenn die zugrunde gelegten Zeitwerte pro Leistungseinheit und die Massenermittlung fehlen.


Die Frage nach den Mängelbeseitigungsmaßnahmen und deren Kosten ist der Prüfstein für die Qualifikation eines Gerichtssachverständigen. Hier zeigt sich, was er wirklich „kann“.
Subjektive, nicht nachprüfbare Schätzungen, die regelmäßig den durch den Bestellerwillen definierten Werkerfolg aus den Augen verlieren, weisen nicht auf die vom Gericht erwartete Qualität bzw. Qualifikation eines Gerichtsgutachters hin.
Nicht die Mangelverursacher sollen gerichtsgutachterlich weitestgehend geschont, sondern der Besteller soll auf der Grundlage der Allgemein Anerkannten Regeln der Bautechnik möglichst so zufrieden gestellt werden, dass der ursprünglich (vertraglich) bestellte Werkerfolg eintritt.


PETER  KLENK                                 
Ingenieurbüro für Bauanalysen              
Ingenieur (grad.) Fachbereich Architektur 
Wirtschaftsingenieur (grad.)  
Carl-Benz-Str. 4             
76437 Rastatt        
Fon 07222-967699       
E-Mail: Info@baukontrolle-klenk.com 


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Stand 19.07.2022